Wie und warum man Glück messen sollte – und was das bringt

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Lesezeit: ca. 14 Minuten

Wie misst man eigentlich Glück?

Oder in welcher Maßeinheit zählt man ein glückliches Leben?

In schönen Stunden mit der Familie?
In prächtigen Sonnenuntergängen oder Terrassen-Weinen mit guten Freunden?
In Ausschlafen und hervorragendem Essen?

Da Glück für uns Menschen ein zentraler Wert ist, hat sich natürlich auch so etwas wie Glücksforschung entwickelt.

Und hat zum Teil sehr spannende Antworten auf die Fragen oben geliefert.

In diesem Post werde ich die aus meiner Sicht stimmigsten Konzepte vorstellen, wie man Glück messen kann – und ein weiteres, welches seine Vorgänger aussticht.

Nicht, weil es eleganter oder fundierter wäre – sondern weil es einfacher ist.

Bei allen Konzepten handelt es sich wohlgemerkt nicht um Küchenpsychologie oder schnell zusammengestellte, dünne Listen, wie man ihnen oft begegnet im Internet oder im Kioskregal (a la „9 Wege um wirklich glücklich zu werden“). Sondern die Ansätze stammen von profunden Quellen:

– von der größten, jemals durchgeführten Harvard-Studie
– von einem der wohl meistzitierten, lebenden Psychologen der Welt
– vom erfolgreichsten Sachbuchautor unserer Tage.

Sowie eine mögliche Synthese vom wohl erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit.


Glück messen?
Was eine Maßeinheit für Glück nutzt

In Kurz:

Was du messen kannst, kannst du verbessern. Sowie gewinnst du eine Grundlage, um Entwicklungen festzustellen. Damit kannst du auch herausfinden, was wirkt. Sehen übrigens die UN und die OECD genauso…

Eine Maßeinheit für Glück zu finden klingt wie ein Anliegen eines billigen Ratgeberbuchs oder eine PR-Aktion eines Unternehmens aus der Lifestyle-Branche.

Doch dieses scheinbar „leichtgewichtige“ Anliegen wird von oberster Stelle unterstützt. Die Generalversammlung der UN entschied im Juli 2011 mit der Resolution 65/309, dass Glücksfaktoren erhoben und verglichen werden sollten, damit Politik besser ausgerichtet werden kann auf das Wohlergehen der Menschen.

Selbst die UN versucht also, eine objektive Messbarkeit für subjektives Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit zu schaffen.

Und so haben sich auf hoher Ebene verschiedene Herangehensweisen herauskristallisiert, um Glück zu vermessen:

Alle dieser Indizes fassen verschiedenste Faktoren in eine handliche Zahl zusammen.

Das Problem ist nur: diese ist zwar nützlich, um Regionen und Länder miteinander vergleichen zu können – nicht jedoch, um als Mensch sein individuelles Glücksempfinden auszubauen.

Warum? Das lässt sich am Beispiel des World Happines Reports der UN erläutert:

Die Kriterien des World Happiness Reports der UN – und die Top 10 der „glücklichsten Länder“

Wie sorge ich als Individuum dafür, dass das BruttoInlandsprodukt pro Kopf steigt? Oder wie schaffe ich es, dass meine Lebensentscheidungen möglichst frei getroffen werden können – also nicht eingeschränkt durch gesetzliche und soziale Kodizes?

Die Antwort: Nahezu gar nicht.

Ob eine Menschenmenge ein glückliches Leben führt, lässt sich so sehr gut vergleichen. Wie glücklich der einzelne jedoch ist, keineswegs.

Und dementsprechend sind alle „Glücksfaktoren“ zwar für sich genommen fundiert und hilfreich für überregionale Vergleiche. Doch mit dem individuellen Alltag haben sie weniger zu tun. Hier zum Vergleich, welche Maßeinheiten die oben erwähnten Glücks-Indizes anlegen:

„Glücks-Index“World Happiness Report (UN)Better Life Index (OECD)Glücksatlas (Deutsche Post)
Ange-wandte KriterienBIP pro Kopf,
soziale Unterstützung, gesunde Lebenserwartung,
Freiheit der Lebensentscheidung,
Generosität,
Vertrauen,
„Restwert“
Einkommen, Beschäftigung (Arbeit),
Gemeinsinn,
Bildung,
Umwelt,
Zivil-Engagement,
Gesundheit,
Lebens-Zufriedenheit,
Sicherheit,
Work-Life-Balance
individuelle Zufriedenheit mit…

– dem Leben allgemein
– Arbeit
– Einkommen
– Gesundheit
– Wohnen/ Freizeit

Viele dieser Faktoren greifen ins Leere, wenn das einzelne Schicksal damit vermessen werden soll.

Doch was bringt mir es eigentlich, mein Glück vermessen zu können?

Für den einzelnen Moment wenig – für den Vergleich von Momenten jedoch viel. Denn anhand einer Skala, welche sich wenig verändert, kann man halbwegs objektiv vergleichen, ob man heute glücklicher ist als vor zwei Jahren.

Zudem gibt dies Hinweise darauf, was die Stellschrauben sind, welche ein gutes Leben maßgeblich beeinflussen. Und damit weißt du, woran du zielgerichtet arbeiten kannst, um mehr Glück in dein Leben einzuladen.

Wenn ich also mein Glück selber in die Hand nehmen möchte, und in drei Jahren ein glücklicherer Mensch sein möchte als heute – woran kann ich dies verlässlich messen?


Glück als die Summe der tragenden Beziehungen – die Harvard-Studie

In Kurz:

Seit 1938 untersucht die Harvard-Universität regelmäßig über 3.000 Menschen. Die einzige Korrelation, welche die Forscher zwischen Glück und Lebensstil ausmachen können, ist die Qualität der Beziehungen.

Die Universität Harvard kann auf eine –immer noch laufende– Langzeitstudie zurückblicken, welche immer noch ihresgleichen sucht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es sogar weltweit die am längsten laufende Studie, welche das Leben von Erwachsenen untersucht.

Über bisher 75 Jahre lang wurden die Leben diverser Erwachsener genau verfolgt und ausgewertet. Es begann mit der Untersuchung von 724 Männern – es folgten irgendwann deren Söhne und nun beinhaltet die Studie mittlerweile über 2.000 Enkel der ersten Teilnehmer. Und vor 10 Jahren wurde das Studiendesign auch für die Ehepartner der Menschen geöffnet.

Bereits die erste Stichprobe deckt eine große Spanne ab: Es wurden Harvard-Absolventen herangezogen als auch Straßenkinder aus Boston. Und fortan ihr Lebensweg und der Lebensweg ihrer Kinder weiterverfolgt und untersucht. So erfasst die Studie Daten von unterschiedlichsten Lebensläufen – vom Straßenkind bis hin zum US-Präsidenten.

Alle zwei Jahre wird ein großes Set an Daten bei jedem Individuum erhoben – mitsamt medizinischen Studien, Interviews, aufgezeichneten Konversationen mit Ehepartnern etc..

Damit sitzen die Forscher auf einem unglaublich vielfältigen Datensatz – und können grundlegende Faktoren herauskristallisieren, welche einen Menschen glücklich machen. Und zwar unabhängig vom konkreten Lebensausgang.

So viel vorweg: Ein glückliches Leben korreliert nicht mit Wohlstand, Ruhm oder harter Arbeit.

„Die klarste Nachricht aus diesen 75 Jahren ist diese: Gute Beziehungen halten uns glücklicher und gesünder. Punkt.“

Robert Waldinger, Studienleiter

Der mittlerweile vierte Studienleiter der immer noch laufenden Erhebung führt drei Lektionen über soziale Beziehungen aus:

  1. Beziehungen tun uns gut. Menschen, die sozialer verbunden sind mit Freunden, Familie und der Gesellschaft, sind nicht nur glücklicher, sondern auch im Durchschnitt physisch gesünder. Sie leben länger als Menschen, welche eine geringere Verbindung mit anderen Menschen leben.

    Andersherum gilt: Einsamkeit wirkt toxisch. Menschen, welche unfreiwillig isoliert leben, sind weniger glücklich, ihr Gehirn und ihre Gesundheit bauen vorzeitiger ab und ihr Leben endet früher als bei Menschen, welche sich nicht einsam fühlen.
  2. Es geht nicht um die reine Anzahl an Beziehungen oder um den genauen Beziehungsstatus – sondern um die Qualität der engen Beziehungen.
    So ist die Zufriedenheit mit den eigenen Beziehungen den Wissenschaftlern zufolge ein präziserer Faktor, um das Altern eines Menschen vorhersagen zu können, als Beispielsweise der Cholersterin-Spiegel.

    Die Menschen, welche die Zufriedensten im Alter von 50 Jahren waren, sind auch die gesündesten im Alter von 80 Jahren.

    Und auch als Schmerzpatienten behalten die Menschen mit den glücklichsten Beziehungen ihr frohes Gemüt. Die unglücklich gebundenen Menschen jedoch besitzen den Daten zufolge eine durch den emotionalen Schmerz verstärkte Schmerzwahrnehmung.
  3. Gute Beziehungen schützen das Hirn. In einer sicher-verbundenen Beziehung mit einem anderen Menschen behalten länger ihre kognitiven Kapazitäten.

Take-away: Ein gutes Leben wird durch gute Beziehungen bestimmt


Glück als Aufgehen im Moment – das FLOW-Konzept

In Kurz:

Eine andere, weitreichende Studie sieht das individuelle Erlebnis als zentralen Glücksfaktor. Momente, in denen wir Raum, Zeit und Bedürfnisse vergessen, sind die optimalen Erlebnisse für uns.

Kommen wir zum zweiten, gegensätzlichen Ansatz. Vertreten und nicht minder erforscht vom vielleicht meist zitierten Psychologen unserer Tage.

Was die Forschungen von Mihály Csíkszentmihályi und die Harvard-Studie gemeinsam haben, ist die Annahme, dass eine Person ihr Leben positiv oder unglücklich gestalten kann, unabhängig davon, was „außerhalb“ geschieht. Vielmehr ist es das, worauf sich unser Bewusstsein bzw. unsere Wahrnehmung fokussiert, was Zufriedenheit und ein subjektiv als glücklich empfundenes Leben ausmacht. Mihály Csíkszentmihályi stützt sich dabei auf Epiktet, Mark Aurel und Viktor Frankl, weswegen er meine natürliche Zustimmung und Zuneigung hat). Csíkszentmihályi weiß übrigens, wovon er spricht, ist er doch selbst ungarischer Kriegsflüchtlinge, dessen Geschwister im Krieg starben.

Was aber bei den alten, stoischen Denkern im Reich der Behauptung liegt, wird von Mihály Csíkszentmihályi mit Daten unterfüttert.

Eine wesentliche Erkenntnis auch hier: Persönliches Einkommen korreliert wenig mit der persönlichen Zufriedenheit. Nach einem gewißen erreichten Punkt, ab dem alle Grundbedürfnisse befriedigt wurden, geht es eher um das bewußte Erleben – als um das konkrete Haben. (Oder in den Worten von Erich Fromm: Sein statt Haben)

Viel mehr lässt sich allein schon statistisch keine Korrelation zwischen (inflationsbereinigtem) Einkommen und Lebenszufriedenheit feststellen.

Grafik Einkommen und Zufriedenheit in Korrelation glück messen
(Screenshot: YouTube-Video unten)

Was macht also glückliches „Sein“ aus oder glückliches Erleben? Das, was Mihály Csíkszentmihályi „optimale Erfahrung“ nennt. Und dies ist der FLOW-Zustand, in dem man in einer Tätigkeit so involviert ist, dass nichts anderes zu zählen scheint und man die Zeit vergisst.

FLOW-Aktivitäten sind solche Aktivitäten, bei denen wir so tief im Konzentrations-Tunnel sind, dass keine Kapazitäten für anderes übrig bleiben. All unsere mentalen Kapazitäten (80Bit) sind voll und ganz durch die Tätigkeit in Beschlag genommen. Das kann Arbeit sein – oder aber Hobbies wie Segeln oder Klettern. Eben die Tätigkeiten, in denen wir „komplett aufgehen“. In denen wir „uns verlieren“ und unser „Gefühl für die Zeit“ verschwindet.

Wichtig: Flow-Aktivitäten sind einerseits weder zu herausfordernd, noch andererseits langweilig, sondern verlangen sowohl Fähigkeit als auch Einsatz.

Die Stichprobe der Forschungen von Mihály Csíkszentmihályi geht übrigens global weiter als die der Harvard-Studie. So sind sowohl Benedektinische Mönche als auch Himalaya-Kletterer befragt worden, indianische Hirten ebenso wie westliche Top-Chirurgen oder Pop-Musiker.

Take-Away: Ein glückliches Leben wird nach dieser Theorie durch Momente geschaffen, in denen wir komplett aufgehen. Schaffe die Rahmenbedingungen für mehr Flow-Momente (Tätigkeiten, welche dich herausfordern und für die du ebenso spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt) und du wirst ein glücklicheres Leben führen. Zumindest laut (Name einfügen).

Das Flow-Konzept hier in einer kurzen Zusammenfassung:

Und hier in lang:


https://youtu.be/fXIeFJCqsPs


Glück als biologisch vorgegebene Konstante – Yuval Noah Hararis Fragen an beide Prinzipien

In Kurz:

Ein wesentlicher Unglücks-Faktor ist die Spanne zwischen Erwartung und Resultat. Zudem pendeln sich deine Glücks-Hormone immer um ein konstantes Niveau ein – ohne, dass du etwas dafür kannst.

Zwei äußerst renommierte Forschungen – zwei unterschiedliche Konzepte für das, was ein gutes Leben ausmacht. Wer wäre man, hier Richter zu spielen, um ein letztgültiges Urteil zu fällen, welche Studie stichhaltiger ist. Vielleicht ja der vielleicht renommierteste Sachbuchautor unserer Tage und einer der führenden Köpfe unserer Zeit, Yuval Noah Harari.

„Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass unser Glück weniger von objektiven Umständen wie Geld, Gesundheit und sogar einer funktionierenden Gemeinschaft abhängt, sondern vor allem vom Verhältnis zwischen den objektiven Umständen und unseren subjektiven Erwartungen. Wenn Sie einen Ochsenkarren wünschen und einen Ochsenkarren bekommen, dann sind Sie zufrieden. Wenn Sie dagegen einen nagelneuen Ferrari wollen und einen gebrauchten Fiat erhalten, dann fühlen Sie sich betrogen. […] Wenn unser Wohlbefinden nur von materiellen Umständen wie Einkommen, Gesundheit und sozialen Beziehungen abhängen würde, dann ließe sich seine historische Entwicklung leicht rekonstruieren. Doch die Erkenntnis, dass Glück vor allem von subjektiven Erwartungen abhängt, erschwert den Historikern die Arbeit”

Yuval Noah Harari, Eine kurze Geschichte der Menschheit, S. 466f.

Ein wesentlicher Glücksfaktor des individuellen Schicksals scheint eine möglichst geringe Spanne bei den eigenen Erwartungen zu sein.

Und auch hier wieder die gleiche Beobachtung: Familie und soziales Netz wirken sich, Harari und dem ihm zur Verfügung stehenden Studien zufolge, deutlich stärker auf unser Wohlbefinden aus, als Geld und Gesundheit. Gerade Krankheit beeinträchtigt wohl nur einen recht überschaubaren Zeitraum lang das subjektive Wohlbefinden. Wenn eine Krankheit nicht in Leid übergeht, pendelt sich die „Glückskurve“ scheinbar schon recht bald wieder auf dem selben Niveau wie davor ein. Ähnlich verhält es sich mit Geld.

So ist einer anderen Harvard-Studie zufolge bei einer Querschnittslähmung wie bei einem Lotto-Gewinn nach knapp drei Monaten das subjektive Empfinden wieder auf dem Niveau, wie es vor diesen einschneidenden Ereignissen war (Siehe auch: Rolf Dobelli: Die Kunst des Klaren Denkens ,189f.)

Generell pendle sich bei jedem Menschen das individuelle Wohlbefinden auf einem konstanten Level ein. Harari vergleicht dies mit einer Klimaanlage, welche einen Raum auf ein eingestelltes Niveau bringt – auch wenn manchmal durch wechselhafte Umgebungsbedingungen Ausreißer nach oben und unten festzustellen sind.

“Bei allem Kitzel des Verliebtseins und bei allem Schmerzen über gebrochene Herzen scheint unser biochemisches System darauf programmiert zu sein, unser Glücksniveau mehr oder weniger konstant zu halten. Die Evolution interessiert sich nicht für Glück – sie interessiert sich nur für Überleben und Fortpflanzung und achtet deshalb darauf, dass wir nicht zu glücklich oder zu unglücklich werden. […| Doch das Glück entsteht im Gehirn. Und das Gehirn weiß nichts von Holzhütten, Penthouses und Champs-Élysée. Das Einzige, was das Gehirn kennt, sind Serotoninspiegel.” (471ff.)

Take-Away:
Glück ist nach Harari also vor allem das Ausreizen des biologischen Serotinin-Potentials – und das Freimachen von Erwartungen.

Zwischenfazit: Der wissenschaftlich sichere Weg, glücklich zu werden

In Kurz:

Mach dich frei von Erwartungen – und investiere deine Zeit in soziale Beziehungen und herausfordernde Aktivitäten. Akzeptiere, was danach herauskommt.

Welchem dieser Ansätze soll man also folgen?

Vielleicht allen drei?!

Zumindest steht man dann auf der wissenschaftlich sicheren Seite – und hat ein abgesichertes Fundament, von dem man aus sich seinem nachhaltigen Glück annähern kann.

Wie sähe eine solche Synthese aus?

Vielleicht ja so:
Um glücklich zu sein, investierst du am besten deine Zeit in die Beziehungen, welche dir wichtig sind. Und in Aktivitäten, welche dich herausfordern, zu deren Bewältigung du aber auch die entsprechenden Fähigkeiten hast.

Stecke deine Erwartungen aber niedrig – fokussiere dich am besten auf das Hier und Jetzt. Und dann akzeptiere, was herauskommt.

Damit haben wir aber einen Verhaltens-Kodex geschaffen, welcher das Gegenteil einer handlichen Maßeinheit für Glück darstellt. Deswegen präferiere ich auch ein anderes Konzept…


„Time well spent“ – meine favorisierte Maßeinheit für gutes Leben

In Kurz:

Hinterfrage konstant, ob die Zeit, die du gerade verbringst, gut verbrachte Zeit ist. Umso mehr „gute Zeit“ du umsetzt, umso zufriedener wirst du auch mit deinem Leben sein.


Zugegeben: Es mag einem so vorkommen, als halten sich die oben vorgestellten drei Ansätze gegenseitig in Schach.

Entweder liegt Glück darin, möglichst stabile soziale Beziehungen zu besitzen, oder aber, möglichst viele Flow-Momente zu erfahren. Beides kann Deckungsgleich sein, muss es aber nicht.

Gleichzeitig muss es sich auch nicht ergänzen. Denn man kann viele Flow-Erlebnisse haben, ohne ein tragendes soziales Netz im Hintergrund zu besitzen.

Und zieht man noch Harari hinzu, dann stellt sich die Frage, ob das nicht alles nur Fassaden eines biologischen Roulette-Spiels sind, bei dem die Kugel schon längst gefallen ist.

Gerade die ersten beiden Glücks-“Maßeinheiten” sind wissenschaftlich stark untermauert und genießen eine hohe Reputation. Und schon beide verhalten sich zueinander nicht wie Äpfel und Birnen, sondern wie Äpfel und Gurken. Und nun kommt noch dieser meditierende Historiker hinzu und bringt gewissermaßen einen dritten Aspekt auf den Tisch: Nüsse.

Bei all der Verwirrung hilft es dann aber gleichzeitig vielleicht, sich bewusst zu machen, in welcher Supermarkt-Abteilung man sich befindet: der Obst und Gemüse-Abteilung. Und vielleicht hilft dieser Blick aus der Vogelperspektive, das ganze griffiger in den Blick zu kriegen.

Auch hier hilft Harari weiter:

“Es kann bedeuten, dass Glück eben nicht darin besteht, unterm Strich mehr glückliche als unglückliche Momente zu haben. Glück bedeutend vielmehr, das Leben als Ganzes sinnvoll und lohnend zu erleben”.

Sinnvolle und lohnende Lebenszeit – genau hier greift ein Parameter, welchen ich das erste Mal entweder bei Google oder bei Facebook gehört habe.

“Time well spent”. Gut verbrachte Zeit.

Das schöne an dieser Einheit ist, dass sie offen ist für alle drei Konzepte.

Gut verbrachte Zeit kann es sein, die Zeit mit seinem Sozialen Netz zu verbringen. Gut verbrachte Zeit kann aber auch in Flow-Momenten bestehen. Oder auch beides. Und gut verbrachte Zeit ist unabhängig von meinem Serotoninspiegel. Denn es geht darum, sinnvoll und lohnenden Zeiten nachzujagen, nicht den “Randerscheinungen” oder dem Hintergrundlärm.

Bei der Frage “Wie gestalte ich meinen Tag gut und sinnvoll?“, ist sie aber gleichzeitig ebenfalls sehr hilfreich. So kann ich durch meinen Tagesplan und meine To-Do-Liste gehen und mir parallel immer die Frage stellen, ob dies gut verbrachte Zeit ist.

Das trifft auf Familienunternehmungen genauso zu wie Hobbies als auch Routine-Aufgaben auf der Arbeit.

Vielleicht liegt also ein Schlüssel zu einem “glücklichen” Leben darin, sich beständig zu fragen, ob die Zeit, welche man gerade verbringt, “Time well spent” ist.

Spent ist im Englischen übrigens ebenfalls der Ausdruck für Ausgegeben. Hier kann man also gut und gerne wieder die Brücke schlagen zu dem Konzept, welches ich im vorherigen Beitrag als Zeitwohlstand erläutert habe: Gut investierte Zeit – und das Bewusstsein , das Zeit ein Wertgegenstand ist.

Denn –um es noch einmal zu wiederholen– keines der vier Konzepte von Glück stellt eine Verbindung zwischen materiellem Wohlstand und einem hohen Glücksempfinden fest. Vielmehr funktionieren alle Varianten völlig losgelöst vom Lebensstil.

Der einzige „Wertgegenstand“, welcher investiert wird, ist Zeit. (Und Erwartungen an diese). Dementsprechend lohnt es sich, genau darauf zu achten, wofür diese getauscht wird – und ob man dabei einen guten Deal macht.

Denn nur dieser scheint wirklich glücklich zu machen – egal, welches Konzept man zu rate zieht.

„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie„

– Friedricht Nietzsche
Infografik Wie Glück messen Harvard-Studie Harrari Flow Time well spent Tristan Harris

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