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Es ist eine Binsenweisheit, die wir eigentlich alle kennen:
Wir sollten uns nicht mit anderen vergleichen.

Und trotzdem tun wir es immer wieder.

Wie Junkies, die wissen, dass ihnen der nächste Schuss nicht gut tun wird. Und es dann trotzdem tun.
Aller guten Vorsätze zum Trotz.

Daher gibt es gute Gründe anzunehmen, dass das Vergleiche anstellen in unseren Genen steckt. Denn es ist ja nicht so, als wäre es eine rein zerstörerische Angewohnheit.

Vielmehr hat es auch einige gewichtige Vorteile. (Mehr dazu später).

Gleichzeitig kennen wir alle die destruktiven Macht, welche im Vergleichen mit anderen steckt.

An dieser Stelle die gute Nachricht: Es gibt eine Art Ausweg durch einen kleinen Trick. Dieser hilft einem, das genetisch vorgegebene Schema in konstruktivere Bahnen zu lenken.

Nämlich der Vergleich mit dem früheren Selbst.

Ich bin vor gut zwei Jahren darauf gestoßen worden und es hat mir geholfen, eine ausgeglichenere Person zu werden.

Noch einmal: Vergleichen ist an sich nichts schlechtes. Es ist sogar ganz nützlich. Aber es ist auch etwas aus dem Ruder gelaufen durch den kulturellen Wandel.

Doch dafür muss ich etwas ausholen.

Wenn du also schnell wissen willst, wie du aus dem Hamsterrad des Vergleichens heraus kommst, klick einfach auf den untersten Link – und du gelangst zur Zusammenfassung.

Warum wir uns mit anderen vergleichen –
die beste Antwort, die ich finden konnte

Eigentlich ist es doch ein sehr gute Frage:

Wenn wir wissen, dass Vergleichen unserer psychischen Hygiene und dem inneren Frieden nicht gut tun – warum können wir davon nicht lassen?

Ist das nicht dumm – und folglich eigentlich etwas, was im Laufe der Evolution ausgemerzt worden wäre?

Nein. Weil Vergleichen einen so großen Vorteil mit sich bringt, dass die Evolution es im Gegenteil fest in unserem Genpool verankert hat.

Beziehungsweise andersherum ausgerückt: Unsere Vorfahren, welche sich mit anderen verglichen, brachten mehr Nachwuchs zur Welt als die Vorfahren, welche sich weniger mit ihrer Umgebung maßen.

Das kann einerseits daran liegen, dass Vergleiche verhindern, dass wir satt und zufrieden werden lassen mit dem Status quo. Auf der beständigen Suche nach Bestätigung oder Statusgewinn neigen wir so eher zu Aktionismus als zu Lethargie. Und Aktionismus kann auch leicht zu einer Schwangerschaft führen…

Gleichzeitig arbeiten vergleichende Menschen stärker an ihren Schwächen, was ihnen auch einen evolutionären Vorteil gebracht haben mag.

Denn das dürfte die Grundfunktion des Vergleichens sein: Wir vergleichen, um Datenpunkte zu erhalten.

Vergleiche liefern uns Informationen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Das tut die reine Nabelschau nicht…

So können wir über einen Vergleich unsere derzeitige Situation sinnvoll ausleuchten und auch in Relation stellen. Und noch mehr als das.

Der Abgleich mit unserem sozialen Umfeld hilft uns zu erkennen, wo wir stehen. In der sozialen Hierarchie, in der Gunst anderer Leute, in der Nahrungskette etc. .

Die zwei Haupt-Spielarten des Vergleichens – und warum wir davon nicht lassen können

Neben dem sachlichen Abgleich gibt es laut dem Psychologen Leon Festinger zwei wesentliche Ausdrucksweisen des sozialen Vergleichs:

A.) Das Messen mit Menschen, welche im betreffenden Merkmal unterlegen sind. Dies nennt Festinger auch den Abwärtsvergleich. Diese Form erhöht oder stabilisiert unser Selbstwertgefühl, weswegen die Belohnung für dieses Verhalten fast auf dem Fuße folgt…

B.) Die Orientierung an Menschen, welche im betreffenden Merkmal überlegen sind. Dies bezeichnet Festinger folglich als den Aufwärtsvergleich. Dieser Vergleich zeigt uns unser Verbesserungspotential auf – und kann uns somit auch den Weg auf die Siegerstraße weisen.
Kann…

Beide erwähnte Formen des Vergleichens helfen, uns in unsere Welt einzuordnen und unsere Position zu finden.

Das Problem ist jedoch, dass uns mittlerweile einerseits der objektive Maßstab fehlt. Und andererseits auch unser Bezugsrahmen, in dem dieses Verhalten noch einigermaßen Sinn ergab, völlig aus dem Ruder gelaufen ist.

Der Kontext macht den Unterschied:
Warum uns Vergleiche mit anderen unglücklich machen

Informationen sind eine tolle Sache – wenn sie belastbar und halbwegs objektiv sind.

Um solche Informationen zu erhalten, müssten wir uns vergleichen mit Personen, welche ähnlich aufgewachsen sind wie wir.

Und die sich zudem in ähnlichen Lebensumständen befinden sowie auf ähnliche Fähig- und Fertigkeiten zurück greifen müssen.

Für einen Großteil der Menschengeschichte gab es auch einen solchen Bezugsrahmen: das Dorf, der Clan, die Siedlung, der Stamm etc. .

Laut Yuval Noah Harari bestand die menschliche Geschichte fast permanent aus Ansammlungen von um die 50 Menschen, welche sowohl ihr Schicksal miteinander teilten, als auch die Vergangenheit des anderen kannten.

In solchen Gruppengrößen machen Vergleiche noch recht viel Sinn.
So weiß ich recht schnell, ob ich der beste bin beim Herstellen von Werkzeug – oder ob ich mir dort lieber Hilfe hole.

Gleichzeitig kann man in dieser überschaubaren Größe recht schnell eine Kategorie finden, in welcher man eine Spitzenposition einnimmt. Der beste Geschichtenerzähler, die beste Fährtenleserin, der vielleicht hübscheste Jüngling, die Frau, der die meisten Männer nachgucken im Dorf usw. …

Und wenn man einmal irgendwo im Mittelfeld ist (bspw. Beim Werkzeugbau), kann man sich Kniffe bei denen anschauen, welche besser sind.

Zudem kennt man bei dieser Anzahl Menschen deren gesamtes Leben – mitsamt der Schattenseiten der Person. Die hübscheste Frau hat vielleicht ein aggressives Kind, der beste Sänger stellt sich auf der Jagd viel zu oft doof an, der beste Werkzeugbauer ist ein Lästermaul etc. .

In einer überschaubaren Gruppengröße weiß jeder von den Schattenseiten der anderen.

Die jeweiligen Vergleichsfaktoren reihen sich dort in eine große Menge anderer Merkmale ein – und verlieren dadurch an Bedeutung.

Genau da liegt aber das Problem in unserer heutigen Welt: Unsere Bezugsrahmen sind zu groß geworden, um eine vollständige Betrachtung zuzulassen.

Vielmehr kriegen wir oft sogar nur noch einige wenige Facetten zu Gesicht. Der Rest bleibt für uns unersichtlich im Trüben.

Wenn wir uns Vergleichen, fokussieren wir uns folglich auf einige wenige Faktoren und Merkmale – und stellen damit fast unweigerlich unvollständige Vergleiche an.

Bei einer konstanten, bekannten Bezugsgröße wird dieser Denkfehler schnell korrigiert – in unserer Mediengesellschaft hingegen potenziert.

Wusste man früher auch von den Schattenseiten der Menschen, mit denen man sich verglich, so kriegt man dies heute kaum noch geliefert.

Denn von den meisten Menschen kennen wir nur einige wenige Facetten – und dort häufig auch nur die Präsentation der Sonnenseiten.

Und wie unser Gehirn gestrickt ist, schließt es dann vom (Bruch)Teil auf das Ganze.

So projizieren wir beispielsweise auf hübsche Menschen auch weitere positive Faktoren. Studien belegen, dass wir attraktive Menschen zum Beispiel auch für beruflich erfolgreicher halten – ein selbstverstärkender Kreislauf, weil attraktive Menschen dementsprechend auch zu einem höheren Prozentsatz Bewerbungsverfahren erfolgreich bestehen und Zugang zu besseren Stellen erhalten. (Vielleicht kommt daher auch das Neid-Argument, jemand habe sich bestimmt nur hochgeschlafen?)

Eine ungute Kombination: wir kriegen nur wenige Teile zu sehen – und vervollständigen daraus automatisch ein angenommenes Ganzes., indem wir diese Facetten multiplizieren.

Wir sehen Filmstars wie Brad Pitt – ihr gutes Aussehen, ihre Gehaltschecks und ihre Feriendomizile. Und vergleichen uns dann damit. Wir multiplizieren diese Gewinner-Facetten und halten Brad für einen Gewinner rundum. (Dass er aber mehrere gescheiterte Ehen hat und sehr unter seinem Prominenten-Status leidet, das kriegen wir nur mit etwas Recherche heraus. Und was mögen all seine anderen Schattenseiten sein oder die Dinge, in denen er auch nur durchschnittlich ist??)

Feuer mit Öl löschen: Wie Werbung und Social Media dabei reinfunken

Das ganze wird noch einmal durch zwei Faktoren verstärkt:

– Werbung
– Soziale Medien.

Ein Beispiel:

Es ist ein spannendes Phänomen der Neuzeit, dass wir Menschen dafür bezahlen, dass sie eigentlich nichts gut können, ausser gut auszusehen.
Wir nennen sie Models. (Oder wie die FAZ Woche kürzlich schrieb: Überdurchschnittlich aussehende Menschen mit einem weit unterdurchschnittlichen Gewicht.)

Und da diese Menschen allgegenwärtig sind, sind sie wie eine permanent vorhandene Messlatte, gegen die wir nur verlieren können.

Und zwar auf ganzer Linie – weil der Vervollständigungs-Effekt gegen uns arbeitet.

Was sich die Werbung zu Nutze macht. Auch wenn jemand vielleicht nichts anderes gut kann, als gut auszusehen und dafür zu sorgen, dass dies so bleibt – so denken wir beim Betrachten der Werbung jedoch fälschlicherweise, dass diese Person, die dort auf der Picknickdecke mit zwei nicht minder hübschen Menschen sitzt und französischen Weichkäse ist, über ein viel besseres Leben verfügt als wir. (Und das wir dessen habhaft werden können, wenn wir auch diesen Weichkäse kaufen…).

Lange Zeit funktionierte dies im klassischen Sender-Empfänger-Schema – und lieferte uns in einer Einbahnstraße Vergleichsobjekte (Werbung sendet Bild mit perfekten Menschen, die Weichkäse essen – Empfänger sieht es im Supermarkt/Fernsehen etc.).

Doch unsere Kommunikation hat sich in den letzten 10-15 Jahren grundlegend verändert. Die sozialen Medien geben uns neuerdings allen die Macht, selber Sender zu sein. (Und nun gibt es Menschen, denen wir Geld dafür geben, dass sie gar nicht viel anderes können, als in den sozialen Medien gut aus zu sehen…wir nennen sie nun nicht mehr Models, sondern Influencer. Also Models, welche selber senden…).

Instagram zum Beispiel begann einmal als eine Plattform, auf der Menschen ihre schönsten Bilder mit anderen teilten. Mittlerweile ist dies in meinen Augen verkommen zu einer Plattform, auf der sich viele Menschen für andere aufplustern.

Als Sender in den sozialen Netzwerken kuratieren wir gezielt Eindrücke aus unserem Leben und entwickeln so unsere eigene Form von Werbeanzeigen. Nur, dass sie eben für uns werben soll – und nicht für französischen Weichkäse.

Das ist an und für sich nichts Schlimmes: Kommunikation funktionierte schon immer so. (Kleidung ist bspw. Nichts anderes als ein großes Bekenntnis, zu welcher Referenzgruppe wir gehören möchten und wie die anderen uns wahrnehmen sollen) Bloß: Wir sitzen durch die sozialen Medien nun an einem viel größeren Hebel um unsere Selbstdarstellung in die Welt zu funken.

Das Resultat: Wir sehen viel mehr Fragmente von anderen Menschen, die alle auch noch gezielt selektiert und aufgehübscht wurden.

Und dann macht es auch schon wieder „Klick“ und wir schließen vom Fragment auf das Ganze. Und damit vergleichen wir dann unser Ganzes – oder auch nur unser Fragment.

Wir kennen aber weder das Model, noch die Person bei instagram in der Regel so gut, dass wir um wesentlich mehr wissen als die paar Fragmente, welche uns aktiv vorgeführt werden.

Und begegnen somit in unserem internen Vergleich virtuellen Scheinriesen, gegen die wir fast nur verlieren können.

Die statistische Wahrheit: Eigentlich sind wir alle großteils mittelmäßig

10 DM Schein Normalverteilung

Auf dem 10-DM-Schein prangte früher ein alter Mann und eine komische Kurve. Erst spät in meinem Leben verstand ich, dass es eigentlich genau diese Kurve ist, mit der man sich extrem viel vom Leben erklären kann.

Und die sehr viel Druck aus der Sache nimmt.

Denn im Prinzip sagt diese „Normalverteilung“ genannte Kurve, dass bei einem beliebig betrachteten Merkmal, die meisten Ob- oder Subjekte sich um den Durchschnitt herum bewegen.

Es gibt zum Beispiel nicht genauso viele kleine Menschen, wie es mittlere oder große Menschen gibt. Sondern ganz viele mehr oder weniger durchschnittlich Große – und einige wenige Kleine sowie ganz Große.

Dabei ist das, was mehr oder weniger durchschnittlich ist, fast 70% der gemessenen Objekte. Das kann bei Männern bspw. eine Körpergröße von 1,7 – 1,8m sein.

Oder auch sehr bekannt ist der IQ von 100 – als durchschnittlich zählt man jedoch sowohl mit einem IQ von 86 als auch 114.

Normalverteilung Durchschnitt Mittelmaß mit anderen vergleichen

Das bedeutet andersherum: 70% sind mehr oder minder die durchschnittliche graue Masse bei so gut wie allen Merkmalen. Oder auch „mittelmäßig“.

Nur gut 15% sind jeweils deutlich auf der Gewinner-Verliererseite – und nur 2% sind herausragend im betrachteten Merkmal.

Das heißt aber auch: 98% können eigentlich immer etwas dazu gewinnen, wenn sie sich mit den anderen vergleichen.

Gerade hier steckt das Entlastende beim Durchschnitt: Der überwältigende Anteil an Menschen ist fast überall ebenfalls mittelmäßig.

Genau wie wir. (Oder zumindest ich)

Wenn es hochkommt sind wir jeder für sich in einigen wenigen Bereichen, auf die es wirklich ankommt, deutlich überdurchschnittlich. Und ansonsten eigentlich irgendwo in der Nähe um den mathematischen Mittelwert herum verteilt.

Dort findet man natürlich sowohl darüber als auch darunter genügend Exemplare um sich zu vergleichen – aber warum? Die überwältigende Mehrheit ist doch genauso mittelmäßig wie man selbst.

Infografik Abwärtsvergleich Aufwärtsvergleich Normalverteilung Mittelmaß durchschnitt mit anderen vergleichen

Und die Anzahl der potentiellen Merkmale ist unendlich groß: Körpergröße und -Gewicht, Intelligenzquotient, Kompetenzen beim Backen, Lesegeschwindigkeit, Jonglierkünste, gelernte Englisch-Vokabeln, handwerkliches Geschick, Wissen um die Top40-Charts, körperliche Ausdauer, Lesegeschwindigkeit, Schuhgröße etc. etc.

Hier ein paar Beispiele:

  • Alltagsmathematische Fähigkeiten (Screenshot: Splitter1.wordpress.com)
  • Die durchschnittliche Länge einer Avocado (Screenshot: YouTube)
  • Die Verteilung der Körpergröße bei Männern und Frauen (Screenshot: TU Dresden)
  • Die Verteilung der Augenanzahl bei Würfen mit drei Würfeln (Screenshot: Novustat)
  • Verteilung des Intelligenzquotienten (Screenshot: FreePNG)

Das heißt: Selbst Brad Pitt wird in der überwiegenden Anzahl der Merkmale bestenfalls leicht überdurchschnittlich sein. Und sehr oft einfach nur mittelmäßig. Oder sogar noch schlechter.

Warum das eigentlich entlastend wäre, aber nicht ist – oder: das verzerrte Navi

Wenn wir uns also vergleichen, um Datenpunkte für den Abgleich zu erhalten, dann kann der Vergleich nur für die oberen 2% der Normalverteilung positiv ausgehen.

Beziehungsweise für die Personengruppe, welche sich dort beständig bewegt – und zwar in fast allen Merkmalen.

Also quasi niemand.

Wenn wir also Vergleiche anstellen, um unsere Position zu bestimmen, dann wäre das so, als würde man sich an einer Karte orientieren, welches zuverlässig die Extreme als Normalzustand betrachtet – und nicht den Normalzustand.
Dementsprechend wäre die Karte völlig überzogen dargestellt – und in der Realität fast nicht zu gebrauchen, da sie so verzerrt wäre.

Erst recht nicht, wenn man nicht nur seinen Standort bestimmen möchte – sondern auch einen Weg (also eine Entwicklung) zurücklegen möchte.

Wie kann man dies aber angehen?

Tu dir selbst was gutes: Achte auf dich

Die einfache Antwort: Willst du dich zielgerichtet verbessern, werde selber dein Referenzpunkt.

Aber nicht dein aktuelles Ich, sondern dein vergangenes.

Falls du damit noch nicht begonnen hast, fang also am besten an, Datenpunkte zu erheben.

Wie zufrieden bist du zum Beispiel in diesem Monat mit deinem Sozialleben auf einer Skala von 1-10? Notiere dir das und stellt dir die Frage jeden Monat neu.

Infografik Zufriedenheit Leben nicht mit anderen vergleichen sonder selbst Datenerhebung Datenpunkte Beziehungen Arbeit Persönlich Gesellschaft

Gleiches kannst du beim Thema Job, (Kern-)Beziehungen, Hobbies, Freizeit etc. Machen.

Ich persönlich habe für mich dabei eine „Spinnennetzgrafik“ entwickelt, welche es erlaubt, dass ich in regelmäßigen Abständen feststellen kann, wo ich mich befinde.

Du kannst auch deine Fähigkeiten durch ein paar Hilfsmittel bestimmen und dann konstant verbessern (bspw. Wie viele Fehler passieren dir, wenn du das erste Mal ein Musikstück auf deinem Instrument „vom Blatt“ spielst).

Und dann kann ich mir die Frage stellen, wohin die Reise gehen soll.

Zudem kann ich recherchieren, wann dieser Wert schon einmal höher lag – und vielleicht finde ich ja auch raus, was um diesen Zeitpunkt drum herum geschehen ist. Das scheint ja förderlich gewesen zu sein – und ich habe einen Lerneffekt.

Ein persönliches Beispiel: Ich im Fitness-Studio

Ein detaillierteres, persönliches Beispiel:

Als Bildschirmarbeiter kriege ich fast automatisch am Ende einer Arbeitswoche leichte Schmerzen im oberen Rücken-Bereich.

Deswegen gehe ich zum Zeitpunkt, an dem ich das schreibe, seit gut 1,5 Jahren ins Fitness-Studio.

Der Vergleich von mir zu den meisten anderen, die sich dort bewegen, schneidet konstant schlecht ab.

(Natürlich muss er das, weil ich mir auch nicht die Zeit nehme, dort täglich für eine Stunde hinzugehen. Hier ist bereits eine Input-Output-Verzerrung zugange.)

Ich könnte mich Gelegenheits-Sportler also vergleichen mit den Halb-Profi-Bodybuildern, welche dort sind, oder mit diversen anderen Typen. Und was die an beeindruckenden Zahlen an Gewichten bewegen.

Ich kann mich aber auch mit mir vergleichen.

Und dann feststellen, dass ich im Jahr 2019 mindestens 20% Kraftzuwachs aufzuweisen habe, bzw. einen Durchschnitt von 39,12% mit einem Maximum von 69% bei meiner „besten Übung“. Zudem hat sich meine Kraftausdauer fast verdoppelt. Zudem dürfte ich –einem Online-Tool zufolge– knapp 2 KG Muskelmasse in dem Jahr aufgebaut haben.

Und das beste: Auch der „Schreibtisch-Rücken“ ist kaum noch merklich.

Das sind für mich tolle Werte, welche einen riesen Erfolg darstellen.

Dieser würden aber völlig untergehen, wenn ich mich mit den aufgepumpten Bizeps manch anderer vergleichen würde.

Und auch hier wieder folgerichtig gefragt: Warum sollte ich mir dieses Merkmal herauswählen – und nicht die Gesamtheit der anderen Merkmale (wie Lebenszufriedenheit, Einkommen, Bildungsniveau, körperliche und mentale Gesundheit, erfüllendes Sozialleben etc.) hinzuziehen?

Oder einfach die Merkmale, welche nachweislich glücklich machen?

Genauso habe ich dieses Prinzip auch auf einen anderen Bereich übertragen. Mein Berufsleben.

Ich folge zum Beispiel einer „Influencerin“ für mein Geschäftsfeld, welche sich dort einen ziemlich erfolgreichen Blog aufgebaut hat – und dementsprechend auch durchweg ziemlich erfolgreich wirkt.

Und natürlich könnte ich mich auch mit anderen Selbstständigen und Jung-Unternehmern vergleichen – entweder um mich selbst aufzuwerten, oder mit dem Effekt, dass ich denke, dass ich noch mehr draufpacken muss.

Oder ich schaue einfach auf mich…

So habe ich 2019 meine Arbeitszeit um ca. 25% herunter gefahren – gleichzeitig ist mein Einkommen aber absolut um 30% gestiegen. Ich verbringe mehr Zeit mit meiner Tochter (das war mir sehr wichtig) – und habe trotzdem (oder gerade vielleicht deshalb?) meinen effektiven Ertrag pro Arbeitsstunde um 73% gesteigert. Natürlich könnte ich mich mit anderen vergleichen, deren Werte noch besser sind – aber wozu? Ich verdiene mehr, als ich zum Leben brauche, kann mit mir selber einen tollen Erfolg feiern und bin glücklicher mit meiner Lebensgestaltung als im Jahr zuvor.

So sind nun meine Erfolge von 2019 mein Referenzwert, den ich nicht mehr zu stark unterschreiten möchte – und ggf. Etwas ausbauen möchte. Nicht das, was andere von sich in die Welt stellen…

(Übrigens auch beim Thema Zeitverschwendung durch Medienkonsum…)

Nachtrag: Wo Vergleiche mit anderen vielleicht doch hilfreich sein können…

Es gibt jedoch einen Fall, bei dem der Vergleich mit anderen doch definitiv zum Seelenfrieden beiträgt. Wenn nämlich das „Aufplustern“ dadurch als solches entlarvt wird.

So halte ich im Fitnesstudio teilweise die „Plank“ doppelt so lange aus, wie mancher durchgestylte „Fitness ist mein Leben“-Typ.

Oder ich habe zufällig in einem (natürlich abseitig gehaltenen Interview) erfahren, dass die erwähnte Branchen-Influencerin, welche auch ein Coachingangebot für ihre Kollegen bereit hält, pro Monat ca. 20% weniger Einkommen generiert hat als ich. (Ob ich mich dennoch von ihr Coachen lassen soll, wie ich erfolgreicher werden kann??)

Bei der Entlarvung solcher Scheinriesen, da scheue ich den Vergleich dann nicht und nutze ihn auch ungeniert.

Zusammenfassung

Sehr wahrscheinlich vergleichen wir uns mit anderen, um Referenzwerte zu generieren und herauszufinden, wo wir sozial stehen.

Das tun wir, um uns aufzuwerten und Ziele zu entwickeln.

Doch mehr und mehr haben wir nur noch die Möglichkeit, geringe Facetten anderer Menschen wahrzunehmen, was zu einem völlig verzerrten Vergleich führt.

Das liegt einerseits daran, dass wir („pars pro toto“) vom Teil auf das Ganze schließen (die hübsche Person muss ja auch erfolgreich sein und eine tolle Familie besitzen…) – als auch immer mehr gezielt im positiven Licht dargestellten Fassaden begegnen.

Dabei ist die bittere Wahrheit aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Stichwort: Normalverteilung): In fast allen Bereich sind wir alle höchstens mittelmäßig /durchschnittlich. Jeder von uns besitzt nur in einigen wenigen Bereichen Merkmale, die ihn oder sie dort überdurchschnittlich erscheinen lassen. Die Bereiche, in denen wir im positiven Sinn weit überdurchschnittlich sind, kann man an einer Hand abzählen und braucht wahrscheinlich noch nicht einmal alle Finger dazu…)

Es macht vielmehr Sinn, sich selber als Referenzpunkt zu wählen. Das schafft man, in dem man regelmäßig Daten erhebt (bspw. Zufriedenheit mit Lebensbereichen) – und sich daran misst. Das mindert nicht nur den Wettbewerbsdruck und erhöht das psychische Wohlbefinden – es liefert auch nach einer Zeit der Datenerhebung Hinweise darauf, wie man sein Leben zielgerichtet verbessern kann. (Ich zum Beispiel habe herausgefunden, dass Mittagsschläfchen meinem Wohlbefinden ganz erheblich zuträglich sind – und sie deshalb vermehrt in meinen Alltag eingebaut…)

Hast du Tricks, welche dich zu einem besseren Leben führten? Vielleicht gerade auch, weil du dich auf dich selbst konzentriert hast, statt dich mit anderen zu vergleichen? Schreib sie uns doch in die Kommentare und lass uns alle davon profitieren

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